Bereits vor dem erstmaligen Inkrafttreten des BGB (01.01.1900) war gefordert worden, die Arbeitnehmerhaftung auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Doch der Gesetzgeber ist diesem Wunsch bis heute nicht nachgekommen. Der im Zuge der Schuldrechtsreform eingeführte § 619a BGB enthält lediglich eine von § 280 Abs.1 Satz 2 BGB abweichende Beweislastverteilung; der Arbeitgeber hat neben der Pflichtverletzung auch das Verschulden des Arbeitnehmers zu beweisen.
Doch selbst bei nachgewiesenen Verschulden haftet ein Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres auf den vollen Schaden. Es muss nach der Art der Pflichtverletzung differenziert werden.
Der nachfolgende Artikel soll helfen, folgende Fragen zu beantworten:
Wann und in welchem Umfang haften Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber, wenn sie durch ihr Verhalten schuldhaft einen Schaden an ihrem Arbeitsplatz verursacht haben? Welche Einschränkungen gibt es, um dem besonderen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechnung zu tragen?
Der Leiter des Gebäudemanagements sollte beispielsweise einem Investor fehlerhaft Eigenkapital in bestimmter Höhe testiert haben, lautete der Vorwurf des Arbeitgebers. Infolgedessen sei ihm ein Schaden in Höhe von ca. € 70 Millionen entstanden – er forderte nun einen Betrag in Höhe von € 500.000 vom Arbeitnehmer. Das Arbeitsgericht Bonn lehnte jedoch eine Arbeitnehmerhaftung ab – mangels grob fahrlässigem Verhalten.
Arbeitnehmer sind nicht prinzipiell vom Ausgleich der durch ihr Fehlverhalten verursachten Schäden beim Arbeitgeber befreit. Allerdings haften sie nicht für jedes – auch nur leicht – fahrlässige Verhalten. Wegen der Besonderheiten eines Arbeitsverhältnisses sind nämlich einige Eigenarten zu berücksichtigen. Vor allem ist im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses der Grundsatz des sogenannten innerbetrieblichen Schadensausgleichs zu beachten.
Grundsätzlich finden auf das Arbeitsverhältnis die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen Anwendung. Das führt jedoch auch dazu, dass der Arbeitgeber ebenfalls für Schäden einstehen muss, die er schuldhaft verursacht und die beim Mitarbeiter entstehen. So verurteilte das LAG Düsseldorf beispielsweise einen Arbeitgeber zur Zahlung von Schadensersatz, weil ein Großmüllbehälter auf dem Betriebsparkplatz während eines Sturms das Fahrzeug eines Arbeitnehmers beschädigt hatte.
Das Hauptproblem an den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften ist, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch schon bei einer nur leicht fahrlässigen Schädigung den ganzen Schaden ersetzen müsste und diese Haftungsgefahr bei einem auf Dauer angelegten Vertragsverhältnis sich selbst bei dem sorgfältigsten Arbeitnehmer irgendwann realisieren würde. Ohne eine etwaige Haftungsbegrenzung zum Schutz des Arbeitnehmers wäre auch angesichts der möglichen Höhe eventueller Schäden schnell eine finanzielle Überlastung des Mitarbeiters gegeben. Zudem muss Berücksichtigung finden, dass der Arbeitgeber mittels seines arbeitsrechtlichen Weisungsrechts den Arbeitnehmer überhaupt erst in die Lage versetzt, einen Schaden verursachen zu können.
Diese zu beachtenden Umstände haben die Rechtsprechung dazu bewegt, speziell für das Arbeitsverhältnis Haftungserleichterungen für Arbeitnehmer zu kreieren und zwar in analoger Anwendung des § 254 BGB.
Innerbetrieblicher Schadensausgleich bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten
Um den besonderen Umständen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gerecht zu werden und um die Haftungsanteile zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gerechter zu verteilen, wird die Haftung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit Hilfe des sogenannten innerbetrieblichen Schadensausgleichs aufgeteilt. Dieser innerbetriebliche Schadensausgleich erfolgt in Abhängigkeit davon, wie hoch der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist, der den Schaden verursacht hat.
Diese arbeitsrechtliche Haftungsmilderung gilt bewusst ausschließlich für Fälle betrieblich veranlasster Tätigkeiten im Arbeitsverhältnis. Eine betrieblich veranlasste Tätigkeit liegt immer dann vor, wenn dem Arbeitnehmer die Tätigkeit ausdrücklich übertragen wurde oder sie im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb erfolgt.
Der innerbetriebliche Schadensausgleich und die damit verbundene privilegierte Arbeitnehmerhaftung hängt also maßgeblich von dem Verschuldensgrad des Arbeitnehmers ab.
Zunächst wird zwischen drei Haftungsstufen unterschieden:
Vorsatz: Volle Haftung des Arbeitnehmers
Grob fahrlässiges Handeln: in der Regel volle Haftung des Arbeitnehmers bzw. ausnahmsweise Haftungsquote
Mittlere Fahrlässigkeit: Haftungsteilung bzw. Haftungsquote
Leichte Fahrlässigkeit: Keine Haftung des Arbeitnehmers
Beispiele für (in der Regel) volle Arbeitnehmerhaftung
Bei Vorsatz trägt der Arbeitnehmer in der Regel den vollen Schaden allein. Vorsatz ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer den Schaden absichtlich und wissentlich herbeiführt bzw. ihn zumindest billigend in Kauf nimmt. Nicht ausreichend ist der vorsätzliche Verstoß gegen Weisungen, der Vorsatz muss sich vielmehr auch auf die durch das weisungswidrige Verhalten (Handlung oder Unterlassung) herbeigeführte Schadensfolge erstrecken.
Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in derartig schwerem Maße verletzt worden ist, dass sich der Arbeitnehmer – auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände und Fähigkeiten – den Vorwurf gefallen lassen muss, selbst einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und selbst das nicht beachtet zu haben, was im gegebenen Fall jedem ohne Weiteres hätte einleuchten müssen. Bei grober Fahrlässigkeit handelt es sich also um eine Sorgfaltspflichtverletzung in ungewöhnlich hohem Maße, wobei eine grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung gegeben sein muss, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit iSd § 276 BGB erheblich übersteigt. Im Vergleich zum bedingten Vorsatz geht der Arbeitnehmer aber subjektiv (fehlerhaft) davon aus, es werde schon gut gehen.
Auch im Falle grober Fahrlässigkeit sind Haftungserleichterungen möglich. Die Entscheidung ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu treffen, wobei es entscheidend darauf ankommen kann, dass der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum Schadensrisiko der Tätigkeit steht, sodass die Existenz des Arbeitnehmers bei voller Inanspruchnahme gefährdet ist. In seiner Entscheidung vom 23.01.1997 wies das BAG in diesem Zusammenhang darauf hin, dass mit zunehmender Technisierung und dem damit verbundenen Umgang mit wertvollen Maschinen das Missverhältnis zwischen Verdienst und Schadensrisiko immens steigt. Im Fall einer geringfügig beschäftigten Reinigungskraft, die „gut gemeint“ einen falschen Knopf an einem Magnetresonanztomographen (MRT) einer Arztpraxis betätigte, um einen Alarm abzuschalten, und dabei einen Schaden in Höhe von € 30.000 verursachte, wurde eine Beschränkung der Haftung auf ein Jahresgehalt trotz grober Fahrlässigkeit festgelegt.
Bei mittlerer bzw. „normaler“ Fahrlässigkeit wird eine Haftungsquote gebildet.
Eine Aufteilung der Haftung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer findet also nur im Bereich der mittleren Fahrlässigkeit statt. Hierunter fallen Pflichtwidrigkeiten, die sich im Bereich zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit befinden. Der Schaden, den der Arbeitnehmer verursacht hat, wird dann zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgeteilt.
Für die Entwicklung einer konkreten, individuellen Haftungsquote werden regelmäßig im Einzelfall weitere Kriterien miteinbezogen. Zu solchen Kriterien zählen beispielsweise, wie riskant/gefahrgeneigt eine Tätigkeit ist, da bei einem arbeitstypisch höheren Haftungsrisiko, die Haftungsquote des Arbeitnehmers zu reduzieren ist. Weiter fließen in die Beurteilung auch die Schadenshöhe, die Versicherbarkeit des Risikos für den Arbeitgeber, die Höhe des Arbeitsentgelts („Risikoprämie“) oder die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, seine Stellung oder sein bisheriger Werdegang im Betrieb ein.
Leichte Fahrlässigkeit: Keine Arbeitnehmerhaftung
Wenn es sich um geringfügige und leicht entschuldbare Pflichtwidrigkeiten handelt, die jedem Arbeitnehmer irgendwann passieren können, handelt es sich um leichte Fahrlässigkeit. Hier haftet der Arbeitnehmer überhaupt nicht.
Beweislast im Prozess: § 619 a BGB
Auch im Gerichtsverfahren gelten für den Arbeitnehmer Erleichterungen. Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung trägt der geschädigte Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast. Dies gilt auch für die Frage, ob dem Arbeitnehmer ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann und welchen Grad sein Verschulden aufweist. Die Beweislastregel des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wird insoweit durch § 619 a BGB verdrängt.
Arbeitnehmerhaftung: Wenn der Arbeitnehmer einen Arbeitskollegen verletzt
Verletzt der Arbeitnehmer bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit einen Arbeitskollegen, handelt es sich in der Regel um einen „Arbeitsunfall“, bei dem meist die gesetzliche Unfallversicherung für die Schäden aufkommt. § 105 Sozialgesetzbuch (SGB) VII sieht in derartigen Fällen einen grundsätzlichen Haftungsausschluss zugunsten des Arbeitnehmers vor. Dies gilt aber nur dann, wenn der Arbeitnehmer seinen Kollegen nicht vorsätzlich oder außerhalb des Betriebs geschädigt hat.
Haftung des Arbeitnehmers für Schäden bei einer dritten Person
Verursacht der Arbeitnehmer einen Schaden bei Dritten, haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich unbeschränkt für die Sach- und Vermögensschäden. Eine Ausnahme gilt wieder für Schäden, die bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit entstanden sind. Der Arbeitnehmer kann hier unter bestimmten Umständen vom Arbeitgeber fordern, dass dieser einen Teil des Schadens trägt. Denn der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber gegenüber einen sogenannten Freistellungsanspruch. Wie hoch der Freistellungsanspruch ist, berechnet sich nach den Grundsätzen zum innerbetrieblichen Schadensausgleich. Daraus folgt beispielsweise, dass der Arbeitgeber, handelt der Arbeitnehmer nur leicht fahrlässig, grundsätzlich den gesamten Schaden übernehmen muss. Bei mittlerer Fahrlässigkeit erfolgt eine quotenmäßige Aufteilung des Schadens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Haftungsbegrenzung: Obergrenze für die Arbeitnehmerhaftung bei sehr hohen Schäden? Nein.
Eine pauschale Höchstbegrenzung für eine Haftung wird vom Bundesarbeitsgericht (BAG) ganz überwiegend nicht zugelassen. Allerdings lässt die Rechtsprechung die Arbeitnehmerhaftung in der Regel nicht ausufern und nimmt bei sehr hohen Schäden eine Haftungsbegrenzung vor. In vielen Fällen orientieren sich die Urteile der Arbeits- und Landesarbeitsgerichte an einem Maßstab von einem Bruttomonatsentgelt bei mittlerer Fahrlässigkeit und drei Bruttomonatsentgelten, wenn der Arbeitnehmer grob fahrlässig handelte.