Stromtrassen. Das Wort sollte eigentlich ein Gefühl der Sicherheit geben. Ein Gefühl verlässlicher Versorgung mit preisgünstiger Energie. Strom, der in jedem Geschäft benötigt wird, ohne den in Handel und Dienstleistung nichts läuft, von der Industrie ganz zu schweigen. Stattdessen schwingen beim Wort „Stromtrassen“ Bilder mit von Bürgerprotesten und von Expertenwarnungen über die zunehmende Instabilität der Netze. Mit dabei ist dann auch das Bild von Politikern, die den Netzausbau ohne Netzausbau versprechen und so versuchen, es jedermann recht zu machen. „Everybody‘s darling ist everybody‘s Depp“ hat Edmund Stoiber einmal gesagt. Aber Standpunkte sind nicht mehr in Mode.
Wie sieht es mit anderen Infrastrukturen aus? Der Zustand der Autobahnen in Bayern ist allgemein bekannt. Das „Neuland“ Internet ist zwar kabelgebunden überall vorhanden, aber im ländlichen Raum haben viele Unternehmen noch immer keine Geschwindigkeit, die eine Skypekonferenz mit Geschäftspartnern ermöglichen würde. Und dem mobilen Internetanschluss fehlt oft schlicht der Empfang. Auf wichtigen Pendlerstrecken der Bahn, wie zwischen Regensburg und München, sind so viele Funklöcher, dass an ein Arbeiten mittels VPN-Tunnel gar nicht zu denken ist. Wie modern sich unser „Zukunftsland Bayern“ in diesem Bereich zeigt, verdeutlicht mir mein chinesisches Handy gerne mit dem Bild eines pixeligen Dinosauriers: „Sie sind offline.“ Bayern war mal das Land von „Laptop und Lederhose.“ Die bayerische Gemütlichkeit sollte untrennbar sein von dem Bekenntnis zu technischem Fortschritt und technischer Überlegenheit. Heute fehlt uns der Anschluss und Asiaten und Amerikaner ziehen davon.
Ganz gleich ob Straßen, Schienen oder Leitungen – die Infrastruktur ist das Grundgerüst, auf das wir unsere Gesellschaft bauen und auf dem wir Wirtschaft treiben. Der Staat ist verantwortlich, dass bestehende Netze nicht nur erhalten bleiben, sondern auch frühzeitig dem wachsenden Bedarf angepasst werden. Es nützt wenig, wenn eine zusätzliche Autobahnspur erst dann geplant wird, wenn die bisherige Kapazität überlastet ist. Denn die Planung dauert – und mit dem modernen Wutbürger erst recht. Verkehrspolitik darf nicht den aktuellen Mangel verwalten, sondern sollte proaktiv ausreichende Kapazitäten auch für die Zukunft bereitstellen. Ebenso wie für Straßen gilt das auch für Flughäfen. In München gibt es Jahr für Jahr mehr Flugpassagiere. Neue Maschinen wie der A380 fassen jedoch mehr Fluggäste, wodurch die Anzahl der Starts und Landungen in den letzten Jahren etwas zurückging. Aktuell reichen daher die vorhandenen Landebahnen in München aus. Allerdings sind für die nächsten Jahrzehnte nochmals stark steigende Passagierzahlen an allen wichtigen Flughäfen Europas prognostiziert. Ein Ausbau des Münchner Flughafens als Herzstück bayerischer Infrastruktur muss daher jetzt erfolgen, um künftig keinen Infarkt zu riskieren.
Erweiterungsprojekte wie die dritte Startbahn in München stoßen politisch auf erbitterten Widerstand von Anwohnern und interessieren die restliche Bevölkerung oft wenig. Auch für die Erhaltung von Straßen und Schienen gewinnt kein Politiker Wählerstimmen. Wahltaktisch gesehen ist es sinnvoller, eine Million in die Schuldentilgung zu stecken als in den Straßenerhalt. Wer Schulden tilgt, kann behaupten, er kümmere sich um die nachfolgende Generation. Wenn dafür der Schaden an der Straße größer wird und die Reparatur ein Jahr später zwei Millionen kostet, geht die Rechnung wirtschaftlich jedoch nicht auf. Jeder Selbstständige versteht, dass es nicht auf die Zahl auf dem Bankkonto allein ankommt. Wichtiger ist, welche Investitionen in Zukunft dieses Konto füllen. Dieses unternehmerische Denken muss auch in der Politik ankommen.