Offener Brief an Bundesministerin für Arbeit und Soziales Bärbel Bas
Sehr geehrte Frau Ministerin,
hätten Sie es für möglich gehalten, dass eine Bundesministerin zum Kampf aufruft? Nicht gegen Armut, nicht gegen Bürokratie, nicht gegen den Fachkräftemangel, sondern gegen die Unternehmerinnen und Unternehmer im eigenen Land. Wir nicht! Aber Sie haben es getan. Sie haben auf dem Juso-Bundeskongress Arbeitgeber als „Herren in bequemen Sesseln“ und „im Maßanzug“ beschrieben und erklärt, dort sei Ihnen „besonders deutlich geworden, gegen wen wir eigentlich gemeinsam kämpfen müssen“. Diese Worte kommen nicht von einer Hinterbänklerin. Sie kommen von Ihnen, unserer Bundesarbeitsministerin. Von der Frau, die qua Amt für das Miteinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zuständig ist.
Wir sind fassungslos.
Auch nach den diversen öffentlichen Erklärungsversuchen, zuletzt gestern bei Maybrit Illner, jeweils ohne eine ernstgemeinte Entschuldigung:
Wir sind nicht beruhigt, wir sind auch heute noch unverändert fassungslos!
Nicht weil wir empfindlich sind und keine Kritik vertragen. Sondern weil diese Worte Menschen treffen, die jeden Tag für dieses Land arbeiten und die sich in diesem Zerrbild nicht wiedererkennen. Unsere Mitglieder haben diese Rede gehört. Sie haben uns angerufen, geschrieben, gefragt: Meint sie uns? Sind wir jetzt der Feind? Es ist schwer, darauf eine Antwort zu geben, die nicht bitter klingt.
Denn die Realität sieht anders aus. In Bayern sind 99,5 Prozent aller Unternehmen kleine und mittlere Betriebe. Sie beschäftigen über drei Millionen Menschen und erwirtschaften mehr als ein Drittel aller Umsätze im Freistaat. Unsere Mitglieder tragen keine Maßanzüge. Sie tragen Sicherheitsschuhe, Arbeitskleidung, Schürzen. Sie stehen um fünf in der Backstube, fahren selbst Kundenaufträge aus, sitzen abends über der Buchhaltung und haften mit allem, was sie haben. Sie bilden aus, obwohl es schwieriger wird. Sie zahlen Löhne, obwohl die Abgabenlast erdrückt. Sie halten Innenstädte lebendig, obwohl der Online-Handel übermächtig scheint. Und wenn ein Mitarbeiter Probleme hat, sitzt der Chef nicht im Sessel – er sitzt mit am Tisch und sucht nach Lösungen.
Diese Menschen als Gegner zu bezeichnen, ist nicht nur falsch. Es ist respektlos
gegenüber einer Lebensleistung, die eh schon zu selten gewürdigt wird.
Woher kommt dieses Zerrbild? Das Bild vom Unternehmer im Ledersessel stammt aus einer anderen Zeit oder aus einer politischen Rhetorik, die Feindbilder braucht, um Applaus zu bekommen. Wer „die Wirtschaft“ sagt, meint oft Konzerne, Vorstände, Millionenboni. Aber das sind nicht wir. Der Mittelstand verschwindet in einer Debatte, die nur noch oben und unten kennt, nur noch Arm gegen Reich. Wer Unternehmer pauschal zu Gegnern erklärt, hat den Blick für die Wirklichkeit verloren. Oder opfert ihn für den Applaus im eigenen Lager.
Das darf nicht sein. Eine Arbeitsministerin sollte Arbeitgeber als Partner verstehen, nicht als Feinde. Sie sollte wissen: Soziale Sicherheit entsteht nicht gegen Unternehmen, sondern mit ihnen. Jeder Ausbildungsplatz, jeder Arbeitsvertrag, jede Lohnzahlung ist ein Beitrag zum Sozialstaat. Wir finanzieren mit unseren Steuern und Abgaben genau jene Sicherungssysteme, die Sie verteidigen wollen. Wir sind nicht das Problem. Wir sind Teil der Lösung. Eine politische Debatte, in der das anerkannt wird, wäre keine Utopie – sie wäre schlicht angemessen.
Deshalb unser Angebot: Frau Ministerin, kommen Sie zu uns. Besuchen Sie mit uns einige unserer Mitglieder: eine Bäckerin in Niederbayern, einen Handwerksmeister in Oberfranken, eine Einzelhändlerin in Schwaben. Sprechen Sie mit Menschen, die ihren Betrieb nicht vom Sessel aus führen, sondern mit beiden Händen. Erleben Sie, wie ein Tag wirklich aussieht: Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten – und zwischendrin die Bürokratie, die niemand bestellt hat. Familienbetriebe, die trotzdem weitermachen. Mit Herzblut, nicht mit Maßanzug. Wir organisieren das gern. Wir öffnen Ihnen Türen, die Ihnen bisher offenbar verschlossen waren.
Denn eines ist klar: Wer miteinander redet, muss nicht gegeneinander kämpfen. Beenden Sie die Kampfrhetorik. Reden Sie mit uns, nicht über uns.
Wir sind bereit.
Viele Grüße
Gabriele Sehorz
Präsidentin
Michael Forster
Hauptgeschäftsführer
